Discofinger und Züriferse am Matterhorn.

Das Zermatt Unplugged wird oft missverstanden – als elitäres champagnerdurchtränktes People-Event für diejenigen unter uns, die an der Goldküste des Lebens stehen. Vor Ort zeigt sich ein zuweilen komplett anderes Bild: Von der BBC einst als «Glastonbury of the Alps» bezeichnet, bietet das 5-Tage-Festival ein wahnsinniges Sammelsurium an Newcomern und gestandenen Grössen aus den Sparten Pop, Rock, Jazz und Blues. Und immer wieder beflügelt das Festival gewisse Bands, die dann für diesen einzigartigen berühmt berüchtigten Unplugged-Moment sorgen – so auch dieses Jahr.

The Cardigans – Live And Learn.

Würde man meinen Musikgeschmack einer Gender-Analyse unterziehen, wäre das Resultat alles andere als ausbalanciert. In meiner Bibliothek findet sich vorwiegend Alternative Rock von männerdominierten Bands. Aber natürlich sind sie auch vertreten, Musikerinnen wie Alison Mosshart, Laura Marling, Regina Spektor, St. Vincent und wie sie alle heissen. Und ganz oben auf dieser Liste thront eine schwedische Göttin mit Heavy-Metal Bodyguards im Rücken: Nina Persson und ihre Cardigans.

Hinicht.

Etwas mehr als 365 Tage* später sitzen wir wieder an derselben schönen Holzbar. Vor uns ein frisch gezapftes Einsiedler Bier. Als verdienter Lohn für die Umsetzung unserer Idee, die hier Ende 2016 gereift ist.

Jack White – Love Interruption.

Ein Wurlitzer, eine akustische Gitarre und eine Geige, E-Dur. Mit einer scheinbar simplen und überaus lieblichen Melodie werde ich eingelullt. Jedoch nicht lange, denn der Mann auf der Bühne proklamiert daraufhin den Untergang der Liebe. Nichts mehr will er mit diesem leidigen Thema zu tun haben. Sechs schöne Frauen auf der Bühne und rund 2000 Fans auf dem Parkett hören ihm dabei zu, in der Webster Hall in New York City.

Nach der Euphorie.

Der November hat’s nicht leicht. Niemand mag ihn. Die herbstlichen Farben sind längst verblichen und die idyllische Winterzeit lässt noch sehnlichst auf sich warten. 30 Tage lang ruft er die dunkelsten Gefühle aus unserem Inneren hervor. Zuweilen fühlt sich das an wie eine Fahrt durch einen Tunnel. Nur, dass wir vergessen haben, wo wir herkamen, wo die Reise hingeht und wie lange sie verdammt nochmal dauert.

Coldplay – Amsterdam.

Kennengelernt haben wir uns 2003 in Australien. Ich damals 17, als Austauschstudent auf Entdeckungsreise in der grossen weiten Welt. „Amsterdam“ hingegen mit knapp 1 Jahr noch fast frisch ab Presse. Trotzdem wurde ich schlagartig in dessen Bann gezogen.

Angekommen.

„Herzlich willkommen in der S4 nach Stansstad, Hergiswil, Horw, Luzern“, begrüsst ihn die etwas mechanisch klingende Frauenstimme aus dem Lautsprecher. Eigentlich komisch, nach all den Jahren wieder tagtäglich in die Heimat zu pendeln, denkt er sich, als der Zug an seinem neuen Arbeitsort vorbeirattert. Aber auch schön, irgendwie.

Ggiufu.

„Hast du den Text für unseren Vortrag schon fertig?“, fleht es aus dem Nebenzimmer. Schon zum wiederholten Mal. Natürlich nicht, flüstert sie abwesend zu sich selbst. Draussen wird es bereits wieder hell. Sie sieht vor lauter x und y das Blatt kaum mehr. Term rechnen. Noch gefühlte 100 Gleichungen muss sie lösen. Bis zur ersten Schulstunde um 10.45 Uhr.

Morgen.

Lieber Morgen, du weisst, warum wir dich heute Abend hierhin bestellt haben, nicht wahr? Die geschätzte Hälfte der Bevölkerung findet dein Auftreten seit jeher alles andere als inspirierend und belebend. Nur scheint dir das bislang nicht gedämmert zu haben.

Ryan Adams – When The Stars Go Blue.

Während einer Zugfahrt zwischen Ljulbjana und Bled in Slowenien höre ich meine ersten Takte von Ryan Adams. Gut 10 Jahre später stehe ich in Helsinki bei fast kitschiger Abendsonne vor der Hauptbühne des Flow Festivals und warte darauf, den für mich inzwischen zur Legende gewordenen Musiker endlich auch live zu erleben.

Heimat #2.

Im Mai habe ich an dieser Stelle geschrieben, dass sich meine Heimat im Begriff Nidwalden konkretisiert. Daraus lässt sich schliessen, dass ich Heimat offenbar vorwiegend räumlich definiere. Fünf Wochen und eine Zugfahrt nach Lenzburg später erbitte ich die Leserin oder den Leser höflichst, mein Urteil etwas revidieren und inhaltlich ausweiten zu dürfen.

Triumph.

Am Ende des anstrengenden Tages gönnt er sich einen Tropfen von seinem liebsten Gin. Serviert in seinem Glas, das Geschichte schreibt. Mit einer Kulisse, die positive Erinnerungen weckt.

Hitzetod.

Hitzeprognose, gültig im Juni 2017: Jeden Tag unerträglich sonnig und brütend heiss. Am Nachmittag aus Westen überhaupt keine hohen Wolkenfelder und über den Bergen nicht mal einen Hauch einer Quellwolke.Gegen Abend bleiben mit hoher Dringlichkeit gewünschte Hitzegewitter komplett aus.

Einmal um die eigene Welt.

“Es gibt Bike-Trails, die dich heilen”, lese ich in einem Instagram-Post einer bekannten Bikerin. Während ich mich nun Wochen später mit meinem Trek Fuel EX im Engadin durch zahlreiche Schneefelder kämpfe, rückt die Aussage unangemeldet wieder in mein Bewusstsein. Biken als seelische Tiefenreinigung. Ist da was dran?

Bob Dylan – Isis.

Jahrzehnte bevor sich Konzerte zu kaleidoskopischen LED-Gewittern à la Coldplay oder grössenwahnsinnigen Bühnenschlachten im Stile von Muse entwickeln sollten, schreibt einer zum wiederholten Male ein neues Kapitel moderne Musikgeschichte.

Heimat.

Der Mai dreht sich um unsere Wohlfühloase, wo wir uns so verhalten können wie wir nun mal sind, wo wir jeden Fussgängerstreifen und jeden Schleichweg kennen, wo alles immer beim Alten bleibt, egal wie lange wir uns physisch und mental davon entfernt haben. Heimat: Für die einen ist sie eine geografische Zone, für die anderen soziale Zugehörigkeit und für wieder andere einfach ein Gefühl.

SOLA Stafette.

Obwohl die SOLA Stafette bereits seit langem den 6. Mai in meinem Kalender blockiert, komme ich erst am Donnerstag vor dem Lauf dazu, die Unterlagen zu studieren. Gestatten: SOLA-Neuling. „Sehr lange Strecke, stark coupiert“, mahnt der Faltprospekt zur Strecke 5 von Felsenegg nach Buchlern. Das imponiert und setzt sich in meinem Hinterkopf fest.

Übermut.

Im April denken wir gross, ja sogar ein wenig grössenwahnsinnig. Daher vorab ein Warnhinweis an den Leser: Dieser Text ist ein Plädoyer dafür, sich auf den grossen Bühnen des Lebens zu bewegen, selbst wenn die eingeschätzten eigenen Fähigkeiten nur für Nebenschauplätze auszureichen scheinen.