Jack White – Love Interruption.
Ein Wurlitzer, eine akustische Gitarre und eine Geige, E-Dur. Mit einer scheinbar simplen und überaus lieblichen Melodie werde ich eingelullt. Jedoch nicht lange, denn der Mann auf der Bühne proklamiert daraufhin den Untergang der Liebe. Nichts mehr will er mit diesem leidigen Thema zu tun haben. Sechs schöne Frauen auf der Bühne und rund 2000 Fans auf dem Parkett hören ihm dabei zu, in der Webster Hall in New York City.
Jack White ist einer, der gerne mit Konventionen bricht. Wie Dylan behauptet er, ohne jegliche Setlist zu spielen. Für die Tournee seines ersten Soloalbums Blunderbuss begleiten ihn nicht nur eine, sondern gleich zwei Bands. Ob die weibliche oder die männliche Band am Konzertabend spielt, entscheidet er nach eigenen Aussagen beim morgendlichen Kaffee. Unkonventionell? Na klar. Unberechenbar? Aber bitte doch.
Verglichen mit seinen bisherigen Projekten gibt es einen tiefgreifenden Unterschied: Trotz backing band steht für einmal er ganz alleine im Rampenlicht. Die in seinen Songs omnipräsente Verletzlichkeit hat er bislang stets hinter der Fassade von perfekt inszeniertem Showmanship versteckt. Und das ist auch am 27. April 2012 der Fall, wo er zum allerersten Mal Werke aus Blunderbuss präsentiert.
Die Webster Hall und die Outfits der Musiker sind in ein kühles Hellblau getunkt worden. Überall prangt die römische Zahl 3, Jack Whites Markenzeichen. Sei es an der Bühnenwand, auf den Drums oder sogar in bester Batman-Manier auf den Scheinwerfern. Alles ist von A bis Z perfekt durchgestylt. Unzählige Kameras sind installiert, um die folgende Show aus jedem erdenklichen Winkel festzuhalten. Denn sie wird auf YouTube in voller Länge live gestreamt. Der Mann versteht es wie kein anderer, sich zu vermarkten und eine Atmosphäre für seine Songs zu schaffen.
Als Zuschauer gibt es diesen Moment, wenn man merkt – oft auch erst im Nachhinein – dass man einen Künstler auf seinem absoluten Höhepunkt erlebt. An diesem Freitagabend ist das unbestritten der Fall: Auf der Bühne schrammt, quietscht und rattert es, dass es eine wahre Freude ist. Praktisch alle alten Songs hat White komplett neu arrangiert. Die Gitarren- und Geigenduelle mit Lillie Mae Rische in Songs wie „Top Yourself“ oder „I’m slowly turning into you“ gehören zum Besten, was ich je live gesehen habe. Von Garage Rock über Blues und Folk bis zu Country; Jack White gelingt es, sein bisheriges Schaffen aus einem Guss zu präsentieren.
Die Magie des Abends auf einen Song zu reduzieren, wäre eine offenkundige Beleidigung an den Meister. Und doch zeigt er bei Love Interruption sein Talent für ausgezeichnetes Songwriting und illustriert dabei seine notorische Unberechenbarkeit. Ein auf dem Album sehr ruhiger und zurückhaltender Song, haucht ihm White mit seiner Frauenband live eine unbändige Dynamik ein. Genau deswegen sind seine Liveshows derart einzigartig.